der Einsatz der Zwangsarbeiter von 1940 an

Im Frühjahr 2017 besuchte der Autor im Hauptstaatsarchiv Weimar Katrin Weiß (siehe auch Quellen zur Geschichte Thüringens 19, Herausgeber Norbert Moczarski, Bernhard Post, Katrin Weiß, Landeszentrale für Politische Bildung 2002), die eine ausgemachte Expertin in Fragen der Zwangsarbeit in Thüringen während der NS-Herrschaft ist. 
Speziell ging es um den Einsatz der Zwangsarbeiter in der Sommermeyer’schen Ziegelei. Dabei wurde die Aussage von Max vom Januar 1948 als falsch entlarvt: Zwangsarbeiter wurden nur nach Antragstellung und Überprüfung der Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die „sicheren Unterbringung“ durch das Arbeitsamt Gera zugewiesen.

Da die Zuweisung der Zwangsarbeiter ausschließlich über die Arbeitsämter erfolgte und viele Unterlagen zum Kriegsende hin von den Behörden fast alle vernichtet wurden, ist heute die Historie nur sehr schwer nachzuvollziehen.
So ist auch der Widerspruch zu erklären, dass die Zeugenaussagen bereits 1940 von Zwangsarbeitern im Werk berichteten, obwohl in Weimar im Archiv erst ab 1943 Zwangsarbeiter in der Ziegelei nachgewiesen werden.
Hier ein grundsätzlicher Abriß dieses grausamen Kapitels deutscher Geschichte:

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden im Deutschen Reich und den von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebieten zwischen sieben und elf Millionen Menschen der Zwangsarbeit unterworfen. Sie ist eine europäische Erfahrung ohne Beispiel. An keinem anderen NS-Verbrechen waren derart viele Menschen beteiligt – als Opfer, Täter oder Zuschauer.
In der nationalsozialistischen Zeit wurden die folgenden Personengruppen als Zwangsarbeiter herangezogen:
– Ausländische Zivilarbeiter, diese wurden zu Kriegsbeginn noch mit falschen oder beschönigten Versprechungen angeworben, waren über Quotenregelungen durch lokale ausländische Behörden (Bsp. Service du travail obligatoire in Frankreich) in den besetzten oder abhängigen Gebieten zu stellen oder wurden von der Besatzungsmacht ausgehoben.
– Kriegsgefangenen wurde die vorzeitige Entlassung angeboten, falls sie sich „freiwillig“ zum Arbeitseinsatz verpflichteten. Dadurch schieden diese aus dem durch das Internationale Rote Kreuz kontrollierten Schutzbereich der Genfer Konventionen aus, das die Behandlung der Kriegsgefangenen regelt.
– Inländische Häftlinge und Anstaltsinsassen unabhängig vom Grund (klassische Straftaten, politische Gesinnung, Glaubenszugehörigkeit oder ethnische Zugehörigkeit) ihrer Inhaftierung.

Für deren Arbeitsverhältnisse war charakteristisch, dass es rechtlich nicht möglich war, dass „Arbeitsverhältnis“ seinerseits aufzulösen, dass die Zwangsverpflichteten keinen Einfluss auf die Umstände des Arbeitseinsatzes hatten und dass die Sterblichkeit aufgrund der überhöhten Arbeitsbelastung, der schlechten Versorgung und der menschenunwürdigen Behandlung erhöht war.

Zwangsarbeiter aus Frankreich
In Deutschland wurden während des Zweiten Weltkrieges nach Abstimmung mit der Vichy-Regierung Franzosen zur Arbeit in Industrie, Handel und Landwirtschaft in unterschiedlicher Weise rekrutiert. Von den 1,6 Millionen französischer Kriegsgefangenen aus der Zeit von Mai/Juni m1940 waren am Kriegsende immer noch eine Million Personen als Arbeitskräfte in Deutschland eingesetzt. Als Zivilarbeiter wurden 850.000 bis 922.000 (freiwillige, dienstverpflichtete und Zwangsarbeiter) eingesetzt. Zu Zivilarbeiten wurden 200.000 Kriegsgefangene 1943 umgestuft.

Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion
Seit Ende 1941 wurden zwischen 22 und 27 Millionen Sowjetbürger als Zwangsarbeiter eingesetzt.

ThHStA ... unreg. Material Karton 133 Mappe 9, Bl. 2r

Die Zwangsarbeiter für die Ziegelei wurden, wie bereits festgehalten, beim zuständigen Arbeitsamt angefordert. Es gab Vorschriften zur Unterbringung – manche im Gefolgschaftshaus – andere in der „Lagergemeinschaft Geraer Betriebe e.V.“ in der Greizer Str. 36 (gegenüber dem „Museum für Angewandte Kunst“; Gebäude wurde in den 1980er Jahren abgerissen) – die Verpflegung und die Bewachung musste organisiert werden, so dass erst nach Vorliegen der Voraussetzungen und deren Überprüfung von Amtswegen die Zuweisungen erfolgten.

Das Vernehmungsprotokoll des Paul Seifert vom 4. März 1948 gibt Aufschluss über die zugewiesenen Arbeitskräfte:
„Durch den Abzug der Arbeiter, die zur Wehrmacht eingezogen waren, konnte die verlangte Arbeitsleistung nicht mehr aufrecht erhalten werden, deshalb stellte S. den Antrag auf Kriegsgefangene. Ende 1940 kamen ins Werk 15 französische Kriegsgefangene, die dann Anfang 1942 von 15 serbischen Kriegsgefangenen abgelöst wurden. Ende 1942 oder Anfang 1943 wurden die Serben von 12 Ostarbeitern abgelöst.“
Diese Aussage deckt sich nicht mit den Beständen des Hauptstaatsarchives in Weimar. Dort gibt es eine Liste mit 8 französischen Kriegsgefangenen mit Datum vom 29.06.1943.
Max sagte zur Problematik der Zwangsarbeiter am 14. Januar 1948 aus: „
So weit mir erinnerlich war es 1940. Es kamen zuerst Serben, später dann Franzosen, Holländer und Russen. Es waren ungefähr 20 Personen.“ 
Auf die Frage wo denn die Leute untergebracht waren, sagte Max: „Die Leute waren im Gefolgschaftshaus untergebracht, die Beaufsichtigung führte der Werkmeister Rubel und die Verpflegung geschah durch die Kantine. Die Beköstigung der Leute wurde von mir von der DAF vorgeschrieben. Ich selbst habe aus eigener Initiative noch zusätzlich Lebensmittel herangeschafft.“
Diese Vorschriften „regelten“ die Essensrationen der einzelnen Nationalitäten. Die Ostarbeiter hatten definitiv die niedrigste Ration bei gleicher Arbeit, wenn nicht sogar zum Teil schwerere Arbeit als „ihre deutschen Kollegen“. 

Obwohl Max mit Schreiben vom 18.11.1944 (die Bescheinigung „…da wir gehalten sind sonntags zu arbeiten, bitten wir den Volkssturmmann Ernst Rubel … vom Dienst zu befreien.“) behauptete, dass „35 Ostarbeiter, 5 Franzosen und 6 Holländer“ der o. g. Rubel „als Lagerführer zu betreuen hat“ und „unser Ziegelwerk hat dringende Sofortprogramme zu erledigen, wie …, Kahla, Panzer, Schießbedarf, Wehrmacht, …), gehen wir von o. g. Zahlen aus. Demnach mussten bis zu 20 Zwangsarbeiter von 1940 bis 1945 unterschiedlichster Nationen im Ziegelwerk arbeiten.
Als die Amis im April 1945 Gera befreiten, zog MS es vor, ein paar Tage zu verschwinden, seinem Werk fernzubleiben bis die Zwangsarbeiter abgezogen waren. Also war sich MS der Gefahr bewusst, dass es jetzt eine Abrechnung geben könnte, der er sich aber vorsorglich entzog.

Lt. Aussagen von Katrin Weiß, sind, wie bereits erwähnt, nahezu alle Unterlagen über Zwangsarbeiter, die grundsätzlich über die Arbeitsämter bzw. Behörden „vermittelt“ wurden, der Vernichtung am Ende des Krieges zum Opfer gefallen. Dadurch sind in den Archiven lediglich Unterlagen noch vorhanden, die auf irgendeine Weise zum Zeitpunkt der Vernichtung nicht im Bestand der Arbeitsämter waren.
Quellenangaben: LATh HStA Weimar und Stadtarchiv Gera