
vom Dezember 1945 bis zum 30.06.1948 dauerte das Verfahren; und 1950 gab es einen Nachschlag
Als im Sommer 1945 die Russen nach Thüringen am 02.07. „planmäßig“ einmarschierten, schauten die wenigsten optimistisch in die Zukunft. Meistens wurden die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, vornehmlich den Frauen befürchtet. Die wenigsten rechneten damit, dass es ans Eigentum ging. Kaum einer in Deutschland wusste zum damaligen Zeitpunkt, wie sich die Besitzverhältnisse an den Produktionsmitteln im „Vaterland der Proletarier“ wirklich gestaltete.
Die Gruppe Ulbricht, die bereits im April 1945 nach Berlin kam, sorgte dafür, dass die Machtverhältnisse zugunsten der stalinistisch ausgerichteten KPD gestaltet wurden. „Es muss alles demokratisch aussehen“, so Ulbricht zu seinen Genossen (siehe Wolfgang Leonhardt „Die Revolution entlässt ihre Kinder“), „aber wir müssen alles im Griff haben“.
Ein ganz zentrales Vorhaben dabei war, dass die Kriegstreiber und -verbrecher ihr Eigentum an den Produktionsmitteln verlieren.
Es war nur zu klären, wer Kriegsverbrecher war!!
Die Großgrundbesitzer mussten ihr Land (Grundbesitz) entschädigungslos an die Landarbeiter und Neubauern (in der Regel „Umsiedler“) abgeben, unabhängig ihrer „braunen“ Vergangenheit. Das traf dann natürlich auch bspw. Widerstandskämpfer, wie Wilhelm Graf zu Lynar, den ehemaligen Eigentümer des Schlosses Lübbenau. Er wurde im September 1944 im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler in Plötzensee hingerichtet (Adjutant von GFM von Witzleben) und sein unter den Nazis bereits enteigneter Besitz wurde nach 1945 geradewegs in Volkseigentum „überführt“ (die Rückgabe an die Besitzer erfolgte dann erst Anfang der 1990er Jahre).
Die Frage wer Kriegsverbrecher war, regelten die Russen auf ihre Weise, um nicht zu sagen nach der Schwarz-Weiß-Methode: Alle, die im Besitz von Produktionsmitteln, sonstigen Grundbesitz, … waren, haben vom Krieg profitiert und sind somit Kriegsverbrecher! Basta. Dazu wurden Inhaber von Kleingewerbe- und Handwerksbetrieben, Restaurant- und Kinobesitzer (!!), … vorsorglich ebenfalls unter Sequester gestellt. Dann wurde die Bevölkerung zur Abstimmung gerufen.
Dazu fand am 30.07.1946 stellvertretend für die gesamte SBZ in Sachsen eine Volksbefragung statt. 77,56% der Teilnehmer (Wahlbeteiligung lag bei 93,7%) entschieden sich für die Enteignung der Kriegsverbrecher in der SBZ.
Nun hatten die örtlichen Organe ihren „legitimen“ Auftrag.
Hier ein kurzer Abriss der Enteignungen in Thüringen und der SBZ:
Die Ziegelei befand sich eigentlich von Anfang an auf der Liste „A“ (sofortige Enteignung).
Während immer wieder Formulare und betriebliche Unterlagen angefordert wurden, gestaltete sich das Enteignungsverfahren auf zwei Ebenen. Zunächst wollte man sich einen Überblick über die anstehenden Vermögenswerte verschaffen und gleichzeitig ermittelte das Kriminalamt gegen Max Sommermeyer wegen seines Umganges mit den Zwangsarbeitern Anfang der 1940er Jahre.
Hier die offiziellen Dokumente, die berühmten Listen A und B, die über das Schicksal der Betriebe entschieden.
A – sofort enteignen
B – Rückgabe an die Besitzer
D. h. in der Praxis wurde das so gehandhabt, das zunächst alle Betriebe durch die SMAD Ende 1945/Anfang 1946 unter Sequester gestellt wurden, damit dann die Administrationen der neugeschaffenen Länder „in Ruhe“ über die weiteren Schritte entscheiden konnten.
In Gera wurden durch die Russen im Dezember 1945 alle Fabrikbesitzer, Kleinunternehmer, Restaurant- und Kinobesitzer (!), … ins Gebäude der heutigen Stadtwerke (De-Smit-Str. 18) einbestellt. Die Türen wurden durch Soldaten der Roten Armee bewacht – keiner durfte den Saal verlassen. Dort wurde den „Einbestellten“ ein Schriftstück in russischer Sprache vorgelegt (Übersetzung gab es keine), dass sie zu unterschreiben hätten. Wer unterschrieben hatte, konnte gehen. Es war die „Mitteilung“ über die Sequestration ihres Unternehmens.
Max und Erich Dießner saßen dort in der De-Smit-Str. gemeinsam bei diesem historischen Ereignis an einem Tisch.
Die Enteignung wurde auf den Weg gebracht.
Diese Maßnahme fußt auf dem SMAD Befehl 124 vom 30.10.1945 „dem deutschen Reich gehörende Vermögenswerte werden enteignet“ .
Das ganze Verfahren ging ganz schön „russisch“ zu. Lediglich Listen existierten, die als Arbeitsgrundlage dienten. Kam ein Unternehmen auf die Liste „B“ bspw. erfuhren das die Besitzer oft mit Verzögerung. Einsprüche wurden zwar bearbeitet, hatten aber keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidungen. Auch die beteiligten Beamten hatten zu tun, aktuell zu bleiben.
Max erfuhr nur durch Zufall in Weimar, dass die Ziegelei zeitweise „jetzt“ auf Liste „B“ geführt wurde.
Der scheinbare Erfolg währte allerdings nicht lange.
Die Schreiben an die zuständigen Behörden und die Einsprüche, Gegendarstellungen, usw. der Gesellschafter des Ziegelwerkes sind nahezu vollständig überliefert. Da Günther noch in französischer Gefangenschaft war, lag die Hauptlast der Einsprüche und Beschwerden bei Heinrich. Dieser brachte im ersten Erwiderungsschreiben vom 18.02.1946 alle Argumente an, die besonders relevant waren. Aber dieser Weg wurde nicht konsequent verfolgt. Es wurden immer weitere Argumente herangezogen. Aus heutiger Sicht, hätte man bei den ersten Argumenten – wie bsplw. Übernahme von Bürgschaften für politisch Verfolgte und das es vier Gesellschafter gibt (Stand 1946) – bleiben sollen und diese immer wieder anführen.
Als das Werk kurzzeitig auf die „Liste B“ kam (nicht zu enteignen), schien die Strategie doch noch aufzugehen. Aber sie konnten damals auf keinen Fall die Herangehensweise der Kommunisten durchschauen. Wie Jahre später bei der Stasi galt auch damals: Einmal auf dem Schachbrett der Kommunisten aufgetaucht, entkommst du dieser perfiden Ideologie nicht mehr, bis sie ihr Ziel erreicht haben, auch wenn (hier) Argumente aufgebauscht werden „müssen“. Das Gericht entließ Max, aber die verborten Ideologen bestraften ihn, raubten ihm sein Eigentum. Es wurde kein Saldo seiner Vita gezogen, sondern nur das Negative wurde zur Bewertung herangezogen. Außerdem wurde die Sippenhaft vollzogen, denn zum Zeitpunkt der Enteignung waren es immerhin noch drei Gesellschafter (zwei davon politisch unbedarft).
Max, so hat man heute den Eindruck, „musste“ sich in dieser schwierigen Phase ausschließlich um die Firma kümmern, beschaffte Geld, damit neue Flächen auf Teufel komm raus gekauft werden konnten. Er investierte darüber hinaus noch privates Vermögen (privaten Grundbesitz), damit die Firma „durchstarten“ konnte.
Alles irgendwie fern der Realität.
Er war nicht in der Lage (oder willens?) die Realität abzubilden, und die einzig mögliche Konsequenz für sich zu ziehen: „Ich muss aus der Firma ausscheiden, um mein Lebenswerk zu retten.“
Anfang 1948 dann zunächst der Prozess gegen Max, der mit der Einstellung des Verfahrens endete (s.a. „Ermittlungsverfahren gegen Max„)
Erst durch das Insistieren der „zuständigen“ Organe wurde im März 1948 „endlich“ ein Treuhänder (Karl Huth) eingesetzt.
Zum 30.06. d. J. dann die Enteignung. „Vorsorglich“ auch das Wohnhaus Ronneburger Str. 13 und das bereits zurück gegebene Sportlerheim.
Und das nur einen Tag vor dem 75. Betriebsjubiläum.
Also wenn die Kommunisten was machen, dann mit ganzer Kraft, sollte da was nicht rechtens sein, vertut sich das. Hauptsache die involvierten Beamten haben eine makellose politische Einstellung und sie kommen aus der Arbeiterklasse. Alles andere ist ohne Belang!
Das Wohnhaus wurde 1950 „zurück gegeben“.